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Schluss mit der Auftrittsangst beim Musizieren

Für viele Blasmusikerinnen und Blasmusiker ist das Musizieren in der Öffentlichkeit eine große Freude. Doch mit dem Auftritt kommt oft auch die Nervosität: Schweißnasse Hände, Herzrasen, ein trockener Mund oder sogar Blackouts können auftreten. Diese Symptome sind nicht nur unangenehm, sondern können auch die musikalische Leistung beeinträchtigen. Doch warum entsteht Auftrittsangst überhaupt und wie lässt sie sich effektiv bewältigen?

Ein Junge spielt Tuba. Im Hintergrund ist blauer Himmel zu sehen.
Nathanael Kneuer
Auftrittsangst ist leider auch unter Blasmusiker:innen verbreitet.

Die Psychologie hinter der Auftrittsangst

Auftrittsangst oder auch Lampenfieber ist eine natürliche Stressreaktion des Körpers, die durch die Aktivierung des sympathischen Nervensystems ausgelöst wird. Diese sogenannte "Kampf- oder Fluchtreaktion" stammt aus der evolutionären Vergangenheit des Menschen, in der Bedrohungen unmittelbares Handeln erforderten. Auch wenn heute oft kein tatsächlicher körperlicher Angriff droht, reagiert unser Körper in einer herausfordernden sozialen Situation ähnlich.

Die Rolle des limbischen Systems

Das limbische System, insbesondere die Amygdala, spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Angst. Diese Gehirnregion verarbeitet emotionale Reize und entscheidet blitzschnell, ob eine Situation potenziell bedrohlich ist. Wenn frühere negative Erfahrungen mit Auftritten gespeichert sind, kann die Amygdala bereits bei der Vorstellung eines Konzerts eine Stressreaktion auslösen.

Ursachen der Auftrittsangst

Auftrittsangst kann durch eine Vielzahl von Faktoren begünstigt werden, wie zum Beispiel Erfahrungen und Prägungen aus der Vergangenheit. Negative Erlebnisse bei früheren Auftritten oder kritische Rückmeldungen können Unsicherheiten verstärken. Der eigene Perfektionismus, also der Wunsch fehlerfrei zu spielen, erzeugt zusätzlichen Druck und führt oft zu einer selbstkritischen Haltung. Hier setzt dann auch die soziale Angst an, die Sorge, vom Publikum oder den Mitmusizierenden negativ bewertet zu werden. Das verstärkt die Nervosität natürlich enorm. Das Herz fängt an schneller und schneller zu schlagen und vielleicht zittern auch die Hände. Dies wird vom Körper als Bedrohung wahrgenommen und die Angstspirale kann sich noch verstärken.

Der Einfluss von Stresshormonen

Bei Angst setzt der Körper vermehrt Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol frei. Diese sorgen dafür, dass die Herzfrequenz steigt, die Muskeln angespannt werden und der Körper auf eine schnelle Reaktion vorbereitet ist. Während dies in Gefahrensituationen hilfreich sein kann, ist es beim Musizieren kontraproduktiv. Ein langfristig hoher Cortisolspiegel kann zudem zu Konzentrationsproblemen und Erschöpfung führen.

Bewährte Methoden zur Bewältigung der Auftrittsangst

Zum Glück gibt es viele effektive Strategien, um mit Auftrittsangst umzugehen. Diese beruhen auf psychologischen Erkenntnissen und haben sich in der Praxis bewährt.

1. Kognitive Techniken: Die Gedanken lenken

Ein großer Teil von Lampenfieber und Auftrittsangst entsteht im Kopf. Durch gezieltes Umdenken kann man den eigenen Stress reduzieren:

  • Positive Selbstgespräche führen: Anstatt "Ich werde versagen" sollte man sich sagen: "Ich bin gut vorbereitet und freue mich auf das Konzert." Klingt simpel, funktioniert aber bei regelmäßigen Wiederholungen.
  • Realistische Perspektive einnehmen: Niemand erwartet absolute Perfektion. Kleine Fehler gehören dazu und werden vom Publikum meist gar nicht wahrgenommen.
  • Gedankenstopp-Technik anwenden: Negative Gedanken bewusst unterbrechen und durch konstruktive ersetzen, z. B. durch das Visualisieren eines gelungenen Auftritts.
Auf einer Wiese geben viele junge Musiker:innen ein Konzert vor Publikum.
Nathanael Kneuer
Auftrittsangst kann durch Entspannungsübungen, Training und Vorbereitung erfolgreich überwunden werden.

2. Atem- und Entspannungsübungen

  • Tiefe Bauchatmung: Langsames, bewusstes Ein- und Ausatmen beruhigt das Nervensystem und hilft, körperliche Symptome der Angst zu reduzieren.
  • Progressive Muskelentspannung: Durch das gezielte An- und Entspannen verschiedener Muskelgruppen kann Anspannung abgebaut werden.
  • Meditation und Achtsamkeit: Regelmäßiges Üben von Achtsamkeit kann langfristig die allgemeine Stressresistenz erhöhen.

3. Mentales Training und Visualisierung

  • Vorstellung eines gelungenen Auftritts: Durch mentales Durchspielen eines erfolgreichen Konzerts kann das Gehirn positiv auf die Situation programmiert werden.
  • Routinen vor dem Auftritt entwickeln: Feste Abläufe vor dem Konzert (z.B. Einspielen, kurze Bewegungspausen) geben Sicherheit und helfen, den Fokus zu bewahren.

4. Praktische Vorbereitung

  • Generalproben unter realistischen Bedingungen: Vor Familie oder Freunden zu spielen hilft, sich an das Gefühl eines Auftritts zu gewöhnen.
  • Konzentration auf die Musik: Der Fokus sollte auf dem Klang und dem Zusammenspiel liegen, anstatt auf der Angst vor Fehlern.
  • Üben, üben, üben: Gute Vorbereitung hilft, Auftrittsangst zu reduzieren. Wer intensiv übt und seine Stimme gut beherrscht, ist beim Auftritt oft weniger aufgeregt.

Auftrittsangst und Lampenfieber sind weit verbreitete Herausforderungen, die jedoch mit den richtigen Strategien bewältigt werden können. Durch die Kombination aus kognitiven Techniken, Entspannungsübungen, mentalem Training und praktischer Vorbereitung lässt sich die Nervosität reduzieren. Wer lernt, seine Gedanken zu steuern, den Körper zu entspannen und sich gezielt vorzubereiten, kann Auftritte künftig mit mehr Gelassenheit und Freude genießen. Denn letztendlich sollte die Musik im Mittelpunkt stehen – und nicht die Angst!

Die Gastautorin: Nina Rieckmann 

Seit Anfang 2023 ist Nina Rieckmann als Bildungsreferentin bei der Nordbayerischen Bläserjugend in der Jugendarbeit tätig. In diesem Rahmen organisiert sie Veranstaltungen, Seminare und Camps für junge Menschen. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf der Präventionsarbeit, die ihr persönlich sehr am Herzen liegt. Hier kann sie ihre Erfahrungen und Kompetenzen aus ihrer Ausbildung und Tätigkeit als Systemische Beraterin gezielt einbringen. Ihr ist es ein zentrales Anliegen, dass sich Menschen – insbesondere Kinder – in einem wertschätzenden, sicheren und achtsamen Umfeld frei entfalten können.

Eine Frau sitzt an einem See und lächelt in die Kamera.
Nina Rieckmann