Die „optimale“ Haltung für Musiker:innen

Haltung ist ein viel und kontrovers diskutiertes Thema in Blasmusik-Kreisen. Eine „optimale“ Haltung soll dazu beitragen mit geringer körperlicher Belastung zu musizieren und z.B. in Konzerten oder Vorspielen maximale Leistung mit einer überzeugenden Ausstrahlung auf den Punkt zu bringen.

Eine Frau spielt Querflöte und schaut dabei in die Noten auf einem Notenständer.
Dovile Sermokas
Gibt es die "optimale" Haltung für Musiker:innen? Dieser Frage gehen wir in diesem Blogbeitrag nach.

Doch worüber sprechen wir, wenn wir von einer „optimalen Haltung“ sprechen? Eine „optimale Haltung“ unterstützt uns, gesund und schmerzfrei trotz großer Belastungen zu bleiben. Zugleich ist sie die Basis einer überzeugenden Ausstrahlung und Perfomance. Eine optimale Haltung beginnt bei den Füßen und hört am Kopf auf. Oder ist es genau andersherum? Konzepte gibt es viele, doch was ist richtig und was falsch? „Rumpf ist Trumpf“ sagt das Bobath-Konzept aus der Physiotherapie, das Menschen mit neurologischen Erkrankungen unterstützt. Was damit gemeint ist, kannst du jetzt direkt testen:

Bleibe so wie du jetzt im Augenblick den Artikel liest sitzen. Beginne deine Arme in alle Richtungen zu bewegen. Wie fühlt es sich an? 
Setze dich jetzt mit einem Drittel deines Oberschenkels auf den Stuhl. Stelle deine Füße stabil auf den Boden, so dass deine Knöchel senkrecht unterhalb deiner Kniegelenke stehen. Bewege dein Becken vor und zurück, bis du das Gefühl hast, stabil auf dem Stuhl zu sitzen und richte dich entspannt auf. Jetzt beginne erneut deine Arme zu bewegen. Hat sich etwas verändert?

Sehr wahrscheinlich hast du gemerkt, dass die Bewegungen deiner Arme mit geringerer Anstrengung und freier möglich sind. Dieses kleine Beispiel zeigt, wie unterstützend eine aktive, aufgerichtete Haltung wirkt. Um die „optimale“ Haltung zu finden ist eine gute Wahrnehmung für die Bewegungen des Körpers sowie die Kontrolle und Kräftigung der Haltung notwendig. Hast du die „optimale“ Haltung einmal gefunden empfiehlt sich jedoch nicht, in dieser einzufrieren und dich nicht mehr zu bewegen. Denn wichtiger als in ein und derselben Position zu bleiben ist es den Körper zu bewegen. Bewegung hilft dem Körper u.a. sein chemisches Gleichgewicht aufrecht zu erhalten und die Regeneration belasteter Struktur zu fördern.

Regelmäßige Bewegung ist unverzichtbar

Um den körperlichen Herausforderungen des Musizierens und Alltages gewachsen zu sein, sind regelmäßige Pausen notwendig. Die aktuelle Empfehlung richtet sich nach der Konzentrationsfähigkeit des Gehirns. Praktisch bedeutet dies vor dem Üben mit einem aktiven Warm Up ohne Instrument zu beginnen und nach 20 Minuten eine aktive Pause in Form von Bewegung einzulegen. Zusätzlich ist ein regelmäßiger Ausgleich notwendig. Als Orientierung sind die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO von 2020 hilfreich: 150-300 Minuten pro Woche moderate Ausdauerbelastung oder 75-150 Minuten pro Woche intensivere Belastung plus 2 Mal pro Woche Krafttraining der großen Muskelgruppen. Dieser Ausgleich kombiniert mit einer gesunden Übehygiene tragen dazu bei Überlastungen und Schmerzen zu vermeiden. 

Eine Frau in schwarzer Sportkleidung macht eine Sportübung.
Dovile Sermokas

Solltest du Unterstützung für deine Haltung oder bei anderen musikspezifischen Gesundheitsthemen benötigen, ist es sinnvoll dir z.B. Physiotherapeut:innen oder Trainier:innen mit dem Schwerpunkt Musiker:innengesundheit zu suchen. Gleiches gilt, wenn es doch einmal zu Überlastungserscheinungen beispielsweise in Form von Schmerzen oder Kontrollverlust kommt. In diesem Fall gibt es Musizierendenambulanzen an Unikliniken, Institute an Musikhochschulen oder Praxen, die sich auf Musiker:innenmedizin spezialisiert haben und kompetente Hilfe anbieten können. Die meisten Spezalist:innen sind Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Musikermedizin und Musikphysiologie kurz DGfMM und lassen sich über dieses Netzwerk finden.

Eine „optimale“ Haltung für Musiker:innen existiert. Sie bildet wie das Üben am Instrument eine gute Basis für das Musizieren. Zur guten Haltung gehört es aber auch körperliche Aktivitäten in die Übe-Routine mit einzubeziehen, um noch lange gesund und frei musizieren zu können. 

Die Gastautorin: Sophie Stahl

Sophie Stahl ist als freiberufliche Oboistin (Master of Music) in NRW & Berlin sowie als Physiotherapeutin mit manualtherapeutischem Schwerpunkt in Essen tätig. Sie liebt es, als Oboistin im Orchester zur Aushilfe oder kammermusikalisch in verschieden Ensembles zu spielen. Genauso begeistert unterstützt sie ihre Patient:innen in ihrer Praxis für Musiker:innen mitten im Essener Zentrum.

Seit 2020 verbindet Sophie Stahl beide Fachbereiche und engagiert sich im Bereich der Musikerinnengesundheit. In diesem Rahmen entwickelte Sophie Stahl Workshops und 1:1 Coachings für Musizierende, Orchester, Ensembles, Musikschulen & Musikhochschulen. Diese Workshops, Seminare und 1:1 Coachings, welche sie bereits u. a. an der Folkwang Universität der Künste, der Robert-Schumann-Hochschule sowie online bei blasmusik.digital angeboten hat, umfassen überwiegend blasinstrumentenspezifische Themen wie „ATMUNG", „BECKENBODEN - starke STÜTZE", „HALTUNG", „ANSATZ" und „starke HÄNDE". Derzeit arbeitet sie an weiteren Musiker:innen spezifischen Themen. Dabei ist es ihr Ziel, Verletzungen, Über- und Fehlbelastungen durch ein besseres Verständnis und Erleben der körpereigenen Vorgänge vorzubeugen.

Als Mitglied der Arbeitsgruppen Bewegung und den JUMMEDS der DGfMM und der AG Gesundheit von unisono engagiert sie sich für die Gesundheit aller Musizierenden in Deutschland.

www.sophiestahl.de
www.stahl-physio.de
Instagram @musikergesundheit_sophiestahl 

Eine Frau hält eine Oboe in der Hand und sitzt neben einem Skelett. Sie lächelt in die Kamera.
Dovile Sermokas